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ReFEM - Bewehrung 16 Aug 2006 16:58 #16186

Hi,

Berechnet man eine Platte nach den Czerny-Tafeln, Pieper-Martens oder durch eine Balkenanalogie, so wird

a) die Platte in der Regel nur für die Feld- und die Stützenmomente bemessen und
b) nimmt man an, dass die Momente mxx und myy im Feld oder über den Wänden die Hauptmomente sind, die Hauptkrümmungsrichtungen also an den meistbeanspruchten Stellen achsenparallel verlaufen.

Nur in den Ecken, in denen die Hauptkrümmungsrichtungen um 45° gegenüber den Achsen gedreht sind, bemisst man die Platte für die Drillmomente mxy. Bei dieser Vorgehensweise, wie sie für den Hochbau typisch ist, wird also kein Unterschied zwischen Schnittmomenten, Hauptmomenten und Bemessungsmomenten gemacht.

Bei der Bemessung in FE-Programmen geht man dagegen schulmäßig vor: aus den Schnittmomenten mxx, myy, mxy werden zunächst die Hauptmomente mI und mII ermittelt und ihre Lage zur x-Achse bestimmt. Die Hauptmomente beruhen auf der linearen Elastizitätstheorie (homogenes und isotropes Material) und gelten für den Zustand I (ungerissener Beton). Aus diesen Hauptmomenten werden dann unter Berücksichtigung des Winkels, den die Bewehrung gegenüber den Hauptachsrichtungen einschließt, und des Innenwinkels a der Bewehrung (= Winkel der Eisen untereinander) die sogenannten Bemessungsmomente mξ, m? getrennt nach oberer und unterer Plattenseite ermittelt.

Wie man von den Hauptmomenten zu den Bemessungsmomenten kommt, darin unterscheiden sich die verschiedenen Bemessungsverfahren nach Stiglat, Wippel und Baumann. Die Bemessung nach Baumann (siehe Leonhardt, Vorlesungen Massivbau) wird auf eine Scheibenbemessung und eine Betrachtung der Formänderungsarbeiten zurückgespielt. Bei schiefwinkligen Bewehrungen, sich überschneidenden Druckzonen im Falle von unterschiedlichen Vorzeichen der Bemessungsmomente sowie der Frage von erforderlicher Druckbewehrung gibt es eine ganze Reihe von nicht eindeutig klärbaren Problemen, so dass man sich nicht allzu blind auf die Ergebnisse einer Plattenberechnung verlassen sollte.

Die Bemessung von Finiten-Element-Ergebnissen birgt eine Gefahr in sich, die bei Stabwerken vielleicht nicht so offensichtlich ist, aber letztlich auch vorhanden ist und damit zusammen hängt, dass man die Berechnung linear im ungerissenen Zustand durchführt und dann auf einen Bruchzustand bemisst, bei dem die Verträglichkeit nicht erfüllt wird. Jedes Element wird nämlich für sich alleine bemessen und es wird nicht überprüft, ob die angenommenen Grenzdehnungen mi dem Nachbarelement zusammenpassen.

Weitere Anmerkungen:

Kein Software-Autor kennt alle Hintergründe, die einer DIN oder EC Vorschrift zugrunde liegen. Es ist nicht allzu häufig, dass Programmersteller zu den Beratungen eines Normengremiums hinzugezogen werden. Somit interpretiert der Programmautor eine Norm nach eigenem, unvollkommenem Kenntnisstand. Das Programm reift anschließend durch die Anwendung bei den Kunden oder bestenfalls an den Hochschulen. Dabei sieht sich der Autor immer wieder völlig neuen Interpretationen, Forderungen und Grenzsituationen gegenübergestellt, die nicht unbedingt im Einklang mit den technischen Grundlagen der Normen oder dem mechanischen Verständnis sind. Insbesondere werden Lücken in den Normen, bei denen man wirtschaftlichere Lösungen erreichen kann, gerne ausgenutzt. Was im Einzelfall vertretbar sein kann, ist für eine allgemeingültige Lösung einer Programmimplementation aber nicht erlaubt.

Und immer daran denken: FE-Software sind keine Computerspiele!

MfG,
J. Schendel


Ingenieurbüro J. Schendel
Engineering Services
www.schendel-engineering.de

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