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Statiker werden 18 Mai 2010 18:59 #32679

Schönen Abend,

habe dieses Forum vor einiger Zeit entdeckt und verfolge es seitdem regelmäßig. Einige Beiträge haben mich sehr interessiert, auch wenn ich selbst nicht als Statiker arbeite. Ich überlege, ob ich auch in diesen Bereich einsteigen soll, befinde mich aber in einer etwas schwierigen Situation...oder vllt. existiert das Problem auch nur in meinem Kopf. Vielleicht kann mir ja der eine oder andere erfahrene Statiker ein paar Tips geben

Aber nun zu meiner Person:
Habe an der Uni Bauingenieurwesen studiert und mit Diplom abgeschlossen. Ich war auch nicht auf den Kopf gefallen und recht fleißig, war z.B. bei Mathe, Bauphysik, Festigkeitslehre, Baustatik, Baustofflehre... immer unter den Besten. Das Problem an meiner Uni waren dann die konstruktiven Fächer (Stahlbau, Holzbau, Betonbau, weiters noch technische Mechanik), die eine einzige Katastrophe waren. Technische Mechanik war von einem gehässigen Professor besetzt, der in der Vorlesung seine Herleitungen machte (welche nur sehr entfernt etwas mit der Mechanik zu tun hatten, die für Bauingenieure interessant ist), bei der Prüfung jedoch grundsätzlich andere Themen abfragte (selbstverständlich höchstes Niveau). Durchfallquoten lagen bei 80-90%. Dies ging dann sogar soweit, dass vor ein paar Jahren eine zweite Professur eingerichtet wurde, da die Kosten aufgrund des Prüfungstourismus höher als für diese zweite Professur waren. Das Resultat war dann, dass ich zwar das Verhalten einer Karmanschen Wirbelstraße bestimmen konnte, mir das Berechnen von Stabschnittgrößen aber aus irgendwelchen Tutorien selbst aneignen musste. Von Dynamik habe ich bis heute keinen Schimmer.
Die Holzbau-Vorlesung war ein Diavortrag mit Selbstdarstellung des Professors („Das hab ich gebaut, das auch, das sind Fotos von meinem Versuchsgelände in Frankreich,…“), aber keine Wort z.B. davon, wie ein Fachwerksknoten auszubilden ist oder welche Verbindungsmittel es überhaupt gibt. Betonbau und Stahlbau waren sich im Aufbau sehr ähnlich. Vorlesung war überflüssig: ging bloß über ein Wintersemester, zu Weihnachten waren wir noch bei der Stahl- bzw. Zementherstellung. Bemessung und Konstruktion wurde dann in zwei Wochen überflogen mit den Worten: „Den Rest müssen Sie halt zu Hause durcharbeiten!“ Was an sich auch kein Problem gewesen wäre, wenn das Skriptum nicht total unbrauchbar gewesen wäre: ein paar Diagramme und Formeln von allen möglichen Orten zusammenkopiert, ohne Quellenangabe oder Erläuterungen. Die Assistenten hatten nur an einem Nachmittag pro Woche Sprechstunde und waren dementsprechend überlaufen und kurz angebunden. Standardantworten waren „Das erklären wir nicht, das hätte man in anderen Fächern lernen müssen!“ oder „Das könnt ihr ganz einfach in Statik der Baukonstruktionen von Petersen nachschlagen, da steht alles drin!“ Wer den 1000-Seiten-Schmöker mal in der Hand gehabt hat, wird meinen damaligen Frust nachvollziehen können. Für einen erfahrenen Statiker mag das ja ein super Nachschlagwerk sein, ich als Student war damit schlichtweg überfordert (schon allein wegen des Umfangs). Einen kleinen Lichtblick boten dann die Lehrbücher von Leonhardt, auf die ich nur zufällig stieß und die mein Interesse für den Betonbau weckten. In den Sommerferien habe ich zunächst noch als Maurer auf Baustellen gearbeitet, um auch die praktische Seite einmal zu sehen. Später war das nicht mehr möglich, da ich in den Ferien zusammen mit einigen Kommilitonen den Stoff für die (selbstverständlich hammerharten) Prüfungen aus allen möglichen Quellen erarbeiten musste. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren und aufgrund meiner aufkommenden Abneigung gegen besagte Institute habe ich dann nicht konstruktiv vertieft.
Kurzum: nach meinem Abschluss beschloss ich, da ich meine Ausbildung in diesem Bereich als unzureichend empfand, trotz Interesse und Talent für mathelastige Fächer, nicht Statiker zu werden und nahm eine Stelle als Baustellenleiter an. Ich habe mich aber immer wieder dabei erwischt, wie ich im Internet auf Matheseiten oder in Statikforen stöbere. Weiters habe ich in meinen zwei Jahren als Baustellenleiter sehr stark gemerkt, dass diese Arbeit nicht zu mir passt, sodass ich möglichst weit weg von der Ausführung eine planerische Arbeit ausüben möchte. Aufgrund von schlechten Erfahrungen möchte ich auch nicht unbedingt in einen Nischenbereich, wo ich dann vom Arbeitgeber abhängig bin und bei einem evtl. Wechsel quasi wieder bei Null anfangen müsste. Ich stehe also vor der Frage, ob ich es als Statiker versuchen sollte. Mein Problem ist, dass ich auf der Uni keine entsprechende Vertiefung gemacht und auch noch nie in diesem Bereich gearbeitet habe. Ich kann zwar einzelne Bauteile bemessen, bei der Statik für ein gesamtes Bauwerk müsste ich aber passen. Ich habe z.B. noch nie einen Kern bemessen und auch keine aussteifenden Systeme. Ich weiß auch nicht, wie ich die Wechselwirkung von exzentrisch angeschlossenen Windverbänden mit den ausgesteiften Bauteilen berücksichtigen soll oder die Knicklänge einer Stütze in einem komplexeren Rahmensystem. Wenn ich eine komplette Statik in die Hand bekomme, verstehe ich bestenfalls noch die Lastaufstellung, von den folgenden 100 Seiten FEM-Berechnung werde ich allerdings nicht schlau (wie wohl auch kein anderer Mensch auf der Welt). Tja aller Anfang ist halt schwer. Wenn ich aber die Stellenangebote durchsehe, werden wenn überhaupt nur Statiker mit Erfahrung gesucht. Wenn ich mit Arbeitskollegen rede, erfahre ich, dass die Chefs von Statikbüros meist außer Haus auf der Jagd nach Aufträgen sind und die erfahrenen Mitarbeiter keine Zeit und/oder Lust haben, jemanden einzulernen.
Um nun langsam zu einem Ende zu kommen, meine Frage an die erfahrenen Statiker unter euch: wie habt ihr euch eure Kenntnisse erworben? Literaturstudium? Wohlwollender Mentor? Diskussion mit Kollegen? Die Trial-and-Error-Methode ist in diesem Gebiet ja wohl eher nicht zu empfehlen…Habe ich überhaupt noch eine Chance, mit nun gut 29 Jahren und den beschriebenen Vorkenntnissen in diesem Bereich noch erfolgreich zu werden? Oder gäbe es noch Alternativen für einen mathematisch interessierten und talentierten Menschen? Habe gehört, dass z.B. Versicherungen an Bauingenieuren interessiert sein sollen…auch wenn ich nicht weiß, wozu. Irgendwelche Wahrscheinlichkeiten berechnen? Würde mich sehr freuen, wenn ihr mich an euren Erfahrungen teilhaben lassen würdet. Aja, habe Freundin und kleines Kind, d.h. ich bin lokal eher gebunden und sollte neben der Arbeit auch noch Zeit für die Familie haben, d.h. mal an einem Wochenende aus Spaß an der Freude mal eben 400 Seiten über Flachgründungen durchzuackern, wird kaum drin sein.

Danke für die Geduld beim Lesen und Beste Grüße
Thomas

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Aw: Statiker werden 21 Mai 2010 05:58 #32702

Hallo Thomas,

du hast nach ein paar Tipps eines erfahrenen Statikers gefragt. Nun damit kann ich dir nicht dienen aber ich kann dir vlt ein paar deiner Sorgen nehmen.

Kurz zu mir: habe Bauingenieurwesen studiert.. leider nur den Bachelor da es kein Diplom mehr gab.. bin seit März in einem Statik und Planungsbüro fest angestellt.. also ein echter Frischling..

Die Probeleme die du im Studium hattest kann ich gut verstehen.. war bei mir nicht anders.. wir lernten zum Beispiel in Statik einen dreifach statisch unbestimmten Rahmen zu rechnen.. haben aber nie etwas von Lastannahmen gehört.. das heißt Windlasten Schneelasten Erdbebenlasten musste/muss ich mir alles selbst beibringen.. Ich hätte mein Studium beinahe vor dem Praxissemester hingeworfen.. aber zum Glück hab ich mich damals entschieden doch noch das Praktikum zu machen.. landete dabei in einem schönen kleinen Statik und Planungsbüro bei dem ich heute auch noch arbeite

Ich muss sagen ich hatte am Anfang auch meine Sorgen.. aber die Arbeit als Statiker ist nunmal auch sehr sehr viel nachlesen in Normen Büchern etc.. Selbst erfahrene Statiker in meinem Büro müssen manche Dinge nachlesen und es gibt immernoch Dinge die Sie zum ersten mal machen.. Das Spektrum unserer Arbeit ist einfach viel zu groß um alles Wissen zu können.. und ich lese viel nach bin in Foren angemeldet.. arbeite mich in Statik und CAD Programme ein etc.. und vor allem ich löchere meine Kollegen bei Dingen wo ich mir unsicher bin und wo ich nicht weiter weiß.. und das ist bei uns im Büro ganz normal, dass die Kollegen unteienander diskutieren denn auch nicht jeder legt die vorhandenen Normen gleich aus.

ich hoffe das hat dir ein wenig weitergeholfen, ich werde nochmal ein wenig ausführlicher schreiben aber mein Telefon lässt mir gerade keine Ruhe :-)

Gruß Mario

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Aw: Statiker werden 21 Mai 2010 10:45 #32713

hallo thomas,

auch ich will versuchen dir mut zu machen einfach das gebiet zu wechseln, denn mein werdegang war nach dem studium (konstruktiv) auch erstmal den weg in ein industriebauunternehmen zu suchen. hier hab ich dann zwischen den planern und den bauleitern als sogenannter beschaffer fuer den ganzen kram der auf den baustellen gebraucht wurde, gearbeitet. also ausschreiben, bestellen etc.
nach ca. 3 jahren, ich muss dazu sagen dass mein damaliger chef viel dazu beigetragen hat, dass die arbeit keinen spass macht, hab ich mich entschlossen den job zu wechseln, und hab genau vor der frage gestanden, die du dir jetzt stellst !
um es kurz zu machen : trau dich !!!
hab vor ca. 5 Jahren auch neu als "statiker" in einem ingenieurbüro angefangen! ich hab einen super chef der mir von anfang an alles gezeigt und mich aufgebaut hat, und sogar einen freien mitarbeiter eingestellt hat, der mir am anfang einmal die woche fuer 1-2stunden mit mir meine sachen durchgegangen ist. so hab ich super viel gelernt, und denke bin mittlerweile ganz fit.
doch was den beruf ja so toll macht, ist dass immer wieder neue konstruktionen oder bauteile geplant werden muessen. hier kann man gar net alles wissen. dies geht schon gar net mit den heutigen normen, siehe hierzu din 1052-neu. man ist gzwungen sich fortzubilden, ob das jetzt mit dem aneignen von irgendwelchen sachen in zeitschriften ioder buechern ist, oder lehrgänge mitmacht, und auf fortbildungen geht.
dies ist auch zwingend erfoderlich, sonst bist du gar net up to date !!
so wuensch dir viel spass bei deinem werdegang
und deine entscheidung wirst du bei späteren projekten wiederfinden wo du dann da stehst und denkst: hmmm noch nie gesehn, wat is dat denn ?
und mein wahlspruch: was andere koennen kann ich schon lange !!!
als trau dich ! und du wirst glücklicher sein mit dir !!!


gruß von der mosel !!!

ach ja:

morgen gewinnen wir die champions league !!

lach

oder ?

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Aw: Statiker werden 22 Mai 2010 07:48 #32720

Hallo Thomas,

auch ich (48 Jahre jung) möchte dir unbedingt Mut zusprechen. Was Statiker machen, dass kannst du allemal lernen und egal in welchen Bereich du nun deine berufliche Laufbahn beginnst, um das Thema Lernen, Weiterbildung..... kommst du niemals drumherum. Ich empfinde das als riesige Bereicherung meines Lebens. Es wäre wahnsinnig langweilig, wenn nicht immer wieder neue Aufgaben zu lösen wären.

Bleib schön selbstkritisch, such dir Unterstützung, wo du diese brauchst und nun trau dich!
Natürlich wünsche ich dir vor allem Glück in der Familie, denn das ist wohl das Wichtigste!

schöne Grüße aus dem herrlichen Kyffhäuser

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Aw: Statiker werden 22 Mai 2010 14:28 #32721

Grüß Dich Thomas,

auch ich kann Dir nur empfehlen, mach es wenn du denkst es
wär was für Dich. Mir ging es auch so, dass ich mich nach dem Studium gefragt
habe, was ich eigentlich gelernt hab. (Vor allem für die Praxis)
Das war für mich ein Sprung in ziemlich kaltes Wasser.
Such Dir - wie schon weiter oben geschrieben - ein Büro, wo Du Hilfe erwarten kannst. Versuch mit kleinen Projekten "flügge" zu werden.
Nach meinen 20 Berufsjahren, möchte ich eh behaupten, dass es wichtiger ist ein guter Konstrukteur als ein guter "Rechner" zu sein.
Wenn man bereit ist, kreativ zu denken, Dich ständig weiterzubilden,
find ich das nach wie vor einen tollen Job.
Selbst bei kleinen Projekten gibt es jedes Mal neue Herausvorderungen
und Ansätze, so dass langweilige Routine (bei mir zumindest) selten
aufkommt.
Viel Erfolg - Helmut

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Aw: Statiker werden 27 Mai 2010 17:44 #32740

Hallo Tom,

wenn du Statiker werden willst, mach es.

Aber, wie meine Vorredner schon geschrieben haben, du brauchst ein Büro, daß dich als interessierten Anfänger akzeptiert. Und du brauchst dort erfahrene Praktiker, die deine Arbeit ca. 1 bis 2 Jahre wohlwollend und kritisch begleiten. Dann solltest du die ersten Projekte selbstständig abwickeln können. Ohne diese Hilfe ist eine Tätigkeit als Statiker m.E. nicht zu schaffen.

Wenn dir in einzelnen Bereichen zunächst die fachliche Vorbildung fehlt, dann ist das nicht das Problem. Du must auch nicht schon am ersten Tag des gesamte Repertoire der Tragwerksplanung abrufbereit aufbieten können. Du fängst ja auch nicht mit komplizerten Strukturen an, sondern mit moderaten Aufgaben. Grundsätzlich solltest du aber ein konstruktives Gespür haben, d.h. für Problemstellungen Lösungen entwickeln können, Alternativen analysieren, den Verlauf von Kräften erahnen und zumindest ein bißchen wissen, wie denn das, was du planst, hergestellt werden soll. Der 'gute' Statiker ist kein Rechenkünstler, sondern jemand, der einwandfreie Konstruktionen planen kann.

Und, ganz wichtig, denk dran, die anderen kochen auch nur mit Wasser.

Viel Erfolg!
mmue

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